http://www.espace.ch, 07.07.2008
Gazpacho im Mantel des WankdorfstadionsWährend der Euro 08 machte der Gastrokritiker einen Bogen um das Stade de Suisse Wankdorf. Erst jetzt traut er sich in das Lokal im Auge des fussballerischen Taifuns: ins Restaurant Eleven, «Official Restaurant of Stade de Suisse, managed by SV» (früher Volksdienst). Der hohe, dunkle Raum mit den mächtigen Säulen, den riesigen konischen Lampen und der trendigen Lounge-Atmosphäre ist fast leer. Kein Wunder: Auf dem Vorplatz lockt sommerlicher Sonnenschein. Auch wir sitzen draussen. Die Wahl zieht einen kleinen Liga-Abstieg nach sich: Drinnen wird mit Stoff aufgedeckt, draussen nur mit Papiersets. Unsere Devise «No sports» wird einzig von einem Rollbrettfahrer unterlaufen: Er benutzt als Ziel seiner rumpelnden Fahrversuche die museale Wankdorf-Uhr, die noch immer den Zeitpunkt des «Wunders von Bern» von 1954 anzeigt (Ungarn - Deutschland 3:2).
Wir bestellen die Vorspeisenvariation Eleven: eine Rauchlachsrose auf Pumpernickel mit Kräutermascarpone (wunderbar!), geräucherte Entenbrust auf Orangenfilets (sehr erfreulich!), ein Salatbouquet (Ruccola) im Parmesankörbli und Gazpacho (kalte, dicke, sehr scharfe Tomatensuppe) mit Trockenwurstscheibe (Chorizo). Die Häppchen (Fr. 15.50) sind skulpturartig auf einem schmalen, rechteckigen Teller platziert. Man merkt: Hier wird renommierten Lokalen nachgeeifert. Auch das Brotkörbchen, begleitet von Olivenöl und Gemüsebutter, zielt in diese Richtung. Leider sind die Scheiben auf einer Seite vertrocknet. Der nette Kellner serviert ein «Amuse-Geule». Die «Schnauze» amüsiert sich über ein Stück geräucherte Forelle mit einem Kartoffelküchlein, welches hier aus unerfindlichen Gründen russisch Blini genannt wird.
Madame bekommt das Green Thai Curry mit Riesencrevetten, knackigem Gemüse und frischen Sprossen, serviert mit Basmati-Reis (Fr. 26.50). Die Sauce, deren Schärfe durch Kokosmilch gemildert wird, schmeckt wunderbar. Die Gemüsegarnitur wird als «etwas zu rüeblilastig» empfunden. Chic ist die Orchideenblüte, die das Gericht verziert. Monsieur bestellt den Businesslunch: grilliertes Straussenfilet mit Thymiansauce, Pommes duchesse und «Bohnenbündeli», umwickelt mit Specktranchen (Fr. 25.–): sehr solid und schmackhaft. Die Anmerkung zum gemüselosen Einheitsangebot bei Kindermenüs («Aufgetischt» vom 30. Juni) möchten wir nicht wiederholen. Nur so viel: Auf der «Eleven»-Karte, die als Malvorlage dient, verguckt sich Mademoiselle in die tierisch geformten «Jungle Chicken» mit Pommes frites (Fr. 8.50). Laut Abbildung werden sie mit Cherrytomate und Salatblatt serviert. Leider Fehlanzeige.
Die Gartentische auf dem Betonplatz und die Rattan-Korbsesselsind nur locker besetzt. Dennoch gibts immer wieder längere Wartezeiten. Der hilfsbereite Kellner, der den vom Nachwuchs ungeliebten Grenadinesirup (gratis) anstandslos durch ein Glas Wasser ersetzt, dürfte bestimmt die mütterliche Ermahnung bei sich zu Hause gehört haben: «Man läuft niemals mit leeren Händen in die Küche zurück.» Allein, er hat sie offenbar vergessen. Mehrmals marschiert er vorbei, ohne die leeren Teller mitzunehmen.
Auf der umfangreichen Weinkarte findet man wahre Schnäppchen: einen Chardonnay California Ted Hill (Fr. 3.90/dl) und sein rotes Brüderchen Cabernet Sauvignon California Ted Hill (Fr. 3.90/dl). Letzterer, ganz wie beschrieben, «saftig im Antrunk, ausgewogen, Brombeer- und Kirschenaroma» enthaltend, geht auf der Rechnung vergessen, was ihn noch günstiger macht. Regulär nicht berechnet wird die Karaffe «Hahnenburger», die anstelle des bestellten Mineralwassers geliefert wird. Das ist kundenfreundlich und nachahmenswert. Der gespritzte Weisse (Sauvignon blanc) schlägt mit sechs Franken zu Buche. Die Damen suchen das stille Örtchen auf und berichten danach etwas indigniert von den dort angetroffenen Zuständen. Das mag ein unglücklicher Zufall sein, ist aber ein weiterer Fingerzeig, dass in diesem Etablissement einige Feinjustierungen vorzunehmen sind. Das vor fast genau drei Jahren eröffnete Lokal hat Ambitionen und weckt daher Erwartungen, die es (noch) nicht vollständig erfüllt.
Markus Dütschler
Die Rechnung, bitte!
Karte: Mix vom Cordon Bleu über Lachssteak und Tagliatelle bis zu indischem Gemüsecurry
Preise: Grosso modo im Rahmen, verblüffend günstige Hausweine
Kundschaft: Werktags Schüler, Büropersonal und Shopping-Volk; an Wochenenden Fussballfans und Besucher von Veranstaltungen auf der nahen Allmend
Öffnungszeiten: Mo-Do 7.30 bis 23.30 Uhr, Fr/Sa 7.30 bis 0.30 Uhr; an Matchsonntagen offen
Adresse: Stade de Suisse, Papiermühlestrasse 71, 3014 Bern, Telefon 031 344 82 52,
http://www.restaurant-eleven.ch[@]
http://www.ebund.ch/aufgetischt