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 Betreff des Beitrags: Jean-Marie Conz
 Beitrag Verfasst: Donnerstag 14. Juni 2007, 09:58 
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Registriert: Mittwoch 21. April 2004, 01:08
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Aargauer Zeitung / MLZ; 14.06.2007

Entwicklungshelfer unter Minaretten

Jean-Marie Conz Der 53-jährige Schweizer trainiert seit sieben Jahren die U17-Nationalmannschaft Saudi-Arabiens

Vor zehn Jahren wurde der Fussballtrainer Jean-Marie Conz bei den Young Boys entlassen. Heute kann er sagen: zum Glück.

Vermutlich ist Jean-Marie Conz der erfolgreichste Nationaltrainer, den Saudi-Arabien je hatte; statistisch gesehen. Erfolgreicher als Ferenc Puskas, Leo Beenhakker, Gabriel Calderon oder gar Brasiliens Weltmeistercoach Carlos Alberto Parreira.

Vor zweieinhalb Jahren nämlich führte Conz die Saudis als Interimstrainer in drei Wettbewerbsspielen zu drei Siegen: 1:0 in Turkmenistan, 3:1 in Indonesien und 3:0 zu Hause gegen Sri Lanka. Aber trotz dieser makellosen Bilanz liebäugelte er danach keine Sekunde damit, die Mannschaft definitiv zu übernehmen. «Da wollen viel zu viele mitreden», sagt Conz, «bei der U17-Nationalmannschaft aber funkt mir keiner drein.»

Als ihn die Fifa im Jahre 2000 angefragt hatte, ob er als Ausbildner nach Saudi-Arabien wolle, hatte er gesagt: «Gut, ich gehe. Aber nicht für lange.» Sieben Jahre später ist Conz noch immer in Saudi-Arabien. Und glücklich.

Der Beginn seiner Trainer-Tätigkeit im Ausland war indes alles andere als eine Erfolgsgeschichte gewesen. Nachdem er 1997 bei den Young Boys entlassen worden war, hatte er auf Vermittlung der Fifa ein Engagement beim ägyptischen Klub El Masri in Port Said erhalten › und war voll in den Hammer gelaufen. Um den neuen Präsidenten beim Volk unmöglich zu machen, hatte man den Goalie von El Masri bestochen, der dann bei der 0:4-Niederlage gegen Ittihad viermal absichtlich ins Leere griff. Ein Spiel später war Conz schon zurück in der Schweiz.

Heute kann Conz über solche Episoden schmunzeln. Er ist mit der arabischen Mentalität längst vertraut und in der saudischen Hauptstadt Riad sesshaft geworden. Von hier aus bereist er das riesige Land, immer auf der Suche nach Talenten für seine U17-Auswahl. «Das grosse Problem ist, dass es in Saudi-Arabien keine Strukturen für den Nachwuchs gibt», sagt Conz, «die Jugendlichen beginnen hier erst mit 16 Jahren organisiert und zielgerichtet Fussball zu spielen.» Was Conz die Rekrutierung von begabten Junioren erheblich erschwert. Er sieht sich in den Klubs von Al Hilal bis Al Wahda nach Talenten um, die hier zwar mittrainieren dürfen, aber noch nicht reif genug sind, um in einer Profimannschaft mitzuspielen. Dort spielen auch vom Geld angelockte ausländische Stars wie in der vergangenen Saison der frühere FCZ-ler Alhassane Keita; mit Al-Ittihad frischgebackener Meister. Conz dagegen sagt: «Mit meinem Lohn bin ich zufrieden, aber das Geld ist nicht das, was zählt.»

Conz geht in Schulen, organisiert Turniere, sichtet und hat plötzlich wieder einen neuen ungeschliffenen Diamanten im Team. Dabei kommt es zur bizarren Situation, dass in der saudischen U17-Equipe Spieler zu internationalen Einsätzen kommen, die auf nationaler Ebene noch nie ein Pflichtspiel bestritten haben. «Eigentlich unfassbar», sagt Conz, «aber ich darf nie vergessen, dass ich als Entwicklungshelfer da bin.» Und doch hätte er mit «seinen» Saudis fast die Sensation geschafft, sich für die WM 2007 in Südkorea zu qualifizieren. Ein 1:2 in Singapur gegen Syrien hatte den Triumph verhindert.

Im Augenblick ist Conz dabei, eine Mannschaft aufzubauen, die sich im Oktober in den Ausscheidungsspielen für den Asien-Cup qualifizieren kann. In verschiedenen Trainingscamps bereitet der 53-Jährige seine Talente auf die Aufgabe vor; das letzte vor dem entscheidenden Turnier wird dann gleich sechs Wochen dauern. Weil es in Saudi-Arabien bis zu 50 Grad heiss werden kann, bittet der Schweizer manchmal morgens um halb fünf und abends um neun › dann kann es noch immer 40 Grad haben › zum Training. «Der frühe Zeitpunkt am Morgen ist kein Problem», sagt Conz, «die Spieler müssen fürs Gebet sowieso aufstehen, wenn der Muezzin ruft.» Conz, der Entwicklungshelfer unter Minaretten.

Seine Frau und die beiden erwachsenen Söhne sind in der Schweiz geblieben und müssen mit den fünf jährlichen Besuchen ihres Mannes und Vaters auskommen. So lebt Conz in Riad allein in einer Wohnung in einem Campus, der von Sicherheitskräften streng bewacht wird. «Das ist beruhigend», sagt Conz. Vor ein paar Jahren hatten schwere Terroranschläge das Land erschüttert. Ein Land, das von A bis Z geprägt ist von der Dikatur des Königshauses.

Conz’ Anfangszeit in Riad war nicht einfach gewesen. «Ich hatte immer das Gefühl, die Leute vergeuden ihre Zeit. Für alles brauchen sie unsäglich lang», sagt Conz. «Inzwischen kenne ich die Regeln und habe Respekt vor den Menschen hier», sagt Conz, «und diese respektieren mich.»

Jean-Marie Conz ist ein Weltenbummler. «Wenn die Fifa fragt, ob ich mal zwischendurch für zwei Wochen auf die Philippinen gehen könne, dann sage ich sicher Ja. Oder nach Moskau, oder nach Tunis.» Conz war auch schon im Kongo, in Ruanda, Ghana, in Tadschikistan und im Sudan. Wenn er einen Trainerkurs in Afrika leitet, fliegt er nie ohne Kleider und Schuhe für die Ärmsten der Bevölkerung hin. Vielleicht hatte es ihm damals, als Trainer der Young Boys in der Nationalliga A, an Härte gegenüber den Spielern und dem Vorstand gefehlt, um seine Anliegen durchzusetzen. Vielleicht war er zu lieb für dieses Geschäft. Dem marokkanischen Profi Negrouz hatte er einst aus eigenem Sack zu essen gekauft, als YB nicht mehr in der Lage gewesen war, die Löhne zu bezahlen.

Eine Rückkehr in den Schweizer Fussball ist nicht geplant. Conz verfolgt diesen zwar aus der Distanz und interessiert, das wahre Feuer in ihm brennt aber für den saudischen Nachwuchs. Er wiederholt: «Ich bin glücklich mit meinem Leben.»


Jean-Marie Conz

Geboren am 12. September 1953.

Junior bei Porrentruy, dann Spieler bei Young Boys Bern von 1973›1988; mit rund 400 Spielen. 1986 als Libero und Captain Meister und 1977 und 1987 Cupsieger. Bei Delémont Spielertrainer und Trainer von 1988 bis 1993.

Drei Länderspiele für die Schweiz.

Ab Sommer 1994 Sportchef bei YB, von 1995 bis 1997 Trainer bei YB. Seit 1998 Fifa-Instruktor in verschiedenen Ländern. Seit 2000 U17-Nationaltrainer von Saudi-Arabien.


«Am Anfang hatte ich immer das Gefühl, die Leute hier vergeuden ihre Zeit»

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