Blick, 22.06.2009
Kultduo eiskalt abserviert!Captain Thomas Häberli war im Team von YB sehr beliebt. Im Gegensatz zu Carlos Varela. Doch beide müssen gehen.

Carlos Varela bekommt von YB die Rote Karte, Thomas Häberli fällt der angestrebten Blutauffrischung zum Opfer. (Keystone)
Wenn YB heute nach der Rückkehr aus dem Trainingslager in Cervia (in der Nähe von Rimini) erstmals auf heimischem Plastik trainiert, wird einer nicht dabei sein: Carlos Varela (31). Und das erstaunt einigermassen. Nicht nur neutrale Beobachter, sondern auch den Spanier selbst. «Ich weiss auch nicht, weshalb ich gehen muss», sagt der Sprinter, der trotz Vertrag bis 2011 ablösefrei abgegeben wird.
Noch erstaunlicher wird die YB-interne Rote Karte für Varela, wenn man Trainer Vladimir Petkovic sagen hört: «Er ist einer der besten Spieler der Liga. Aber jetzt brauchen wir eine Blutauffrischung.» Sportchef Alain Baumann seinerseits sagt nichtssagend: «Er war vier Jahre lang bei uns. Wir haben quasi in gegenseitigem Einvernehmen festgestellt, dass es das Beste ist, wenn er sich einen neuen Klub sucht.» Gegenseitiges Einvernehmen? Wo denn?
Den Gründen auf die Spur kommt man erst bei den Worten von YB-General Stefan Niedermaier. «Carlos kokettiert seit zwei Jahren mit neuen Klubs. Der Entscheid der sportlichen Leitung hat mit der Geschichte von Varela zu tun.»
Nennen wir das Kind beim Namen: Die vielen Undiszipliniertheiten haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Wenn sich in den Logen meinungsbildende und geldgebende YB-Protagonisten zu sehr aufregen, dann bleibt das irgendwann nicht mehr ohne Konsequenzen. Zudem klagen Mitspieler auch über mangelnde taktische Disziplin. Und überhaupt: Varela sei im Team nie speziell beliebt gewesen.
Weil aber Fussball-Meisterschaften keine Casting-Shows mit Abwahlen durch die Mitstreiter sind, wird Varela kein Probem haben, einen neuen Klub zu finden. Zu Xamax kann er jederzeit wechseln, ein Vertrag liegt unterschriftsbereit vor. Möglicherweise wird er schon heute unterschreiben. Allerdings buhlen in Frankreich auch Grenoble, Valenciennes und Absteiger Nantes (mit Ex-YB-Coach Gernot Rohr als Trainer und Lausanne-Pleitier Waldemar Kita als Präsident) um Varela.
Das Angebot, sich bei YB – aber nicht mit der ersten Mannschaft! – fit zu halten, bis er einen neuen Klub gefunden hat, hat Varela abgelehnt: «Ich kann mir nicht vorstellen, zusammen mit den anderen unerwünschten Spielern ein paar Runden zu drehen. Was soll das?», schmollt der Flügel.
Das entspricht eher Miguel Portillo (26), dem ebenfalls geschassten Manndecker. Und Thomas Häberli. Dem Kultspieler hat YB immerhin angeboten, zu bleiben. Nur nicht als Spieler. Niedermaier: «Wir wollen Thomas behalten. Wir sind ihm das nach seinen Verdiensten um den Klub schuldig.» Sollte Häberli mit 35 noch ein Jahr als Spieler bei einem anderen Klub anhängen wollen, würde man dem langjährigen Captain bei YB die Tür zu einem neuen Job sogar so lange offenhalten.
Petkovic hat erste harte Entscheidungen getroffen, für die er bei seinem Amtsantritt im August 2008 noch keinen Spielraum hatte. Es sind dies Massnahmen mit denen er sich in der Beliebtheitsskala der Fans nicht eben Bonuspunkte verschafft. Der Kroate steht nun vom ersten Spiel an unter gewaltigem Druck. Nach zwei zweiten Plätzen in der Meisterschaft und einer Niederlage im Cupfinal gibt es auch kein Herumdeuteln am Saisonziel: Es muss ein Titel her.
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