09.12.2024
Zitat:
Stuttgart- und Nati-Star Rieder über das Duell mit YB
«Das grösste Spiel meines Lebens!»
Fabian Rieder hat sich beim deutschen Vizemeister VfB Stuttgart innerhalb weniger Wochen zu einem wichtigen Faktor gemausert. Der Nati-Star über seinen erfolgreichen Start in der Bundesliga und das bevorstehende Champions-League-Duell mit seinem Herzensverein YB.
tadion Letzigrund vor gut einem Monat. Der BSC Young Boys spielt beim FC Zürich. Auf der Tribüne fiebert der Neu-Stuttgarter Fabian Rieder mit seinem Ex-Klub YB mit. «Ich habe ein paar Tage frei. Da bin ich in die Schweiz gekommen», erzählt er. Richtig weit ist es ja nicht. In gut zweieinhalb Stunden ist man mit dem Auto in Zürich oder Bern. Er sieht ein solides YB. Und dann gehts um das Spiel, das zu diesem Zeitpunkt noch ganz weit weg war: das seiner Stuttgarter gegen die alte Liebe YB. Mittwoch, 11. Dezember. Rieders Augen strahlen. Ungefragt sagt er: «Das grösste Spiel meines Lebens!»
Gut einen Monat später. Virtuelle Presserunde mit fünf Schweizer Journalisten und Rieder. Wie immer ist er hellwach und beantwortet die Fragen entsprechend konzis. Sein Spiel des Lebens rückt näher. Zu diesem Zeitpunkt hat der VfB eben das Pokalspiel bei Jahn Regensburg ohne grössere Aufregung hinter sich gebracht. Rieder stand in der Startelf, hat okay gespielt («Es war kein überragender Match von mir, aber auch nicht schlecht»). Und das Heimspiel gegen Union Berlin steht bevor, das die Schwaben nach einem Parforceakt und einem 0:2-Rückstand noch 3:2 gewinnen. Rieder kommt erst in den Schlussminuten rein. Da deutet vieles auf einen Startelf-Einsatz am Mittwoch hin.
Blick: Fabian Rieder, die Champions League wird in einem neuen Modus gespielt. Den alten haben Sie ja auch gekannt. Wie gefällt Ihnen der neue?
Fabian Rieder: Ich bewerte es positiv. Man kann sich mit vielen Teams messen. Wir hatten schon coole Mannschaften mit Real Madrid, Atalanta Bergamo, Juventus Turin, Roter Stern Belgrad und Sparta Prag. Es ist für uns und die Fans ein spannender Modus.
Stuttgart steht mit vier Punkten ziemlich unter Druck. Im letzten Spiel trifft der VfB auf PSG, das aktuell gleich viele Zähler hat. Der Modus ist schon tricky. Also stehen Sie gegen YB stark unter Druck.
Wir haben noch alles in den eigenen Händen. Wir haben in der Champions League bereits gezeigt, dass wir mit den ganz grossen Teams mithalten können. Der Ausrutscher gegen Roter Stern, dieses 1:5, tat weh. Real und Atalanta waren effizienter. Das ist der Unterschied.
Was war beim 1:5 in Belgrad los?
Das war keine gute Leistung von uns. Das haben wir angesprochen. Wir haben es den Belgradern viel zu einfach gemacht. Nach vorne waren wir zu wenig effizient und zielstrebig. Sie hatten einen Supertag und wir keinen guten.
Hatte das einen Zusammenhang mit den VfB-Fans, die an der Grenze abgewiesen wurden?
Wir haben das am Rande erfahren. Es ist natürlich sehr schade, dass ein Teil unserer Fans beim Spiel nicht dabei sein konnte. Wir haben uns auf unser Spiel konzentriert.
Hat Trainer Sebastian Hoeness getobt? Oder streichelt er das Team, weil die Ohrfeige schon hart genug war?
Wir haben das Spiel klar analysiert und den Blick schnell nach vorne gerichtet, weil drei Tage später bereits das nächste Auswärtsspiel anstand. Uns hat es als Mannschaft sehr geärgert, und wir wussten selbst, dass wir offen gesprochen ein Scheissspiel gemacht hatten. Aber es bringt nichts, lang an solch einem Spiel herumzudenken.
Auch in der Bundesliga läuft es für den VfB noch nicht ganz wie gewünscht.
Wir hätten zu Beginn der Saison sicher den einen oder anderen Punkt mehr holen können. Wir haben gute Leistungen gezeigt, aber waren in manchen Situationen nicht effizient genug. Wir haben in der Tabelle vier Punkte Rückstand auf Platz vier und spielen nun in Heidenheim und zu Hause gegen St. Pauli. Wir wollen bis zur Winterpause noch so viele Punkte wie möglich holen.
Wie haben Sie sich als Spieler verändert, seit Sie Bern verlassen haben?
Es ist schon eine Veränderung, wenn man seine Wohlfühloase verlässt, die bei mir YB war. Der Wechsel zu Rennes war richtig und ein Topschritt. Es ging ja gut los. Ich kam immer rein. Nach dem Trainerwechsel habe ich nicht mehr so viel gespielt. Damit muss man als Spieler umgehen können und das Beste daraus machen. Genau das habe ich gemacht und in dieser Zeit viele Fortschritte gemacht. An der EM konnte ich dann zeigen, was ich in Rennes gelernt hatte. Der VfB ist nun natürlich top.
Was haben Sie fussballerisch gelernt?
Ich denke, in allen Bereichen etwas. Ich konnte mich in jedem Bereich weiterentwickeln. Ich versuche weiterhin, meine Stärken zu stärken und meine Schwächen zu verbessern.
In der Bundesliga ist natürlich alles viel grösser. Wie gehen Sie damit um, dass alles, was Sie und Ihre Mannschaft machen, mediatisiert wird?
Ich konzentriere mich darauf, was mein persönliches Umfeld sagt und wie ich da beurteilt werde. Alles andere versuche ich möglichst auszublenden.
Wie handhaben Sie die sozialen Medien?
Ich bin nicht sehr aktiv auf Social Media. Ich habe die Nachrichtenfunktion auf Instagram ausgeschaltet, weshalb mich niemand kontaktieren kann, dem ich nicht folge. So bekomme ich nicht so viel mit. Auch keine Beleidigungen. Aber das ist ja nicht nur im Fussball so. Das ist auch mit ein Grund, weshalb ich im Social-Media-Bereich nicht allzu stark tätig bin.
Haben Sie sich mit dem Wechsel ins Ausland neu erfinden müssen oder haben Sie Ihr Leben mit transferieren können?
Ein bisschen von beidem. Es ist eine grosse Umstellung. Ich bin sehr froh, dass meine Freundin sowohl nach Frankreich als auch nach Deutschland mitgekommen ist. Aber klar: Bern ist meine Heimat, alle meine Freunde sind dort, meine Familie. Wenn du plötzlich in einem anderen Land spielst, ist das eine ziemliche Umstellung. Ich habe an beiden Orten gute Freunde gefunden. Aber es gibt auch die Momente, an denen man sein Umfeld und seine Familie vermisst. Aber das ist Part of the Business. Ich werde sicher froh sein, zum Ende meiner Karriere hoffentlich nochmals in Bern spielen zu können.
Sie kommen oft in den Abschluss. Aber die Effizienz ist noch mangelhaft. Einverstanden?
Das Wichtigste ist schon mal, in gute Positionen zu kommen und abschliessen zu können. Ich bin mir sicher, dass es nur eine Frage der Zeit ist, bis ich treffsicherer werde.
Wie wichtig sind Skorerpunkte für Sie?
Man sollte sich nicht nur auf Skorerpunkte fokussieren, aber auf meiner Position gehört es dazu, dass man auch darauf schaut. Ich habe jetzt vier in der Bundesliga, womit ich einigermassen zufrieden bin. Ich hätte sicher zwei, drei mehr machen können. Aber die Leistung gehört bei der Beurteilung auch dazu. Welche Impulse du dem Team gibst, ob du Chancen kreierst, ob du defensiv mitläufst, wie viele eckige Wege du machst, ob du Räume für die Mitspieler öffnest, ob du in die Zweikämpfe, ins Pressing gehst. Das sind alles Faktoren, die definitiv auch dazugehören und nicht nur die Skorerpunkte.
Sie sind nun in Ihrer Traumliga gelandet. Aber Sie sind von Rennes ausgeliehen. Der VfB hat eine Kaufoption. Wie gross sind die Chancen, dass der Klub diese zieht?
Ich habe mich bei der Leihe entschieden, zu einem Klub zu gehen, der zu mir und meinem Spielstil passt und wo ich auch das Gefühl habe, dass sie mich für einen längeren Zeitraum binden möchten. Es liegt am Ende des Tages aber auch an mir, mich aufzudrängen, damit es passiert. Es ist das Ziel, in der Bundesliga und bei Stuttgart zu bleiben.
Wie speziell ist das Spiel gegen YB?
Sehr speziell! Ich habe mich übertrieben gefreut. Es ist mein Herzensverein. Ich ging mit meinem Papa schon mit fünf ins Stadion. Ich spielte im Nachwuchs, habe zwei Meistertitel geholt. Dann drei mit der ersten Mannschaft. Europa und Champions League gespielt. Ich schaue jedes Spiel von YB live, wenn ich nicht gerade selbst im Einsatz stehe. Und ich habe fünf, sechs gute Kollegen, mit denen ich regelmässig in Kontakt stehe. Es ist etwas sehr Schönes, wenn man sich mit seinen Kumpels auf der grössten Bühne Europas messen kann.
Persönlich
Fabian Rieder wurde am 16. Februar 2002 in Bern geboren. Als er sechs Jahre alt war, zügelte die Familie nach Koppigen BE. Später lebte er mit seiner Mutter in Bellach SO, spielte beim FC Solothurn. 2017 wechselte er in die U16 von YB. Die ersten Einsätze in der ersten Mannschaft hatte er 2020. Für YB machte er 122 Spiele, ehe er 2023 einen Vierjahresvertrag bei Rennes in der Ligue 1 erhielt. Die Ablöse von 15 Millionen Franken war die bis dahin höchste für einen YB-Spieler. Im Sommer 2024 wechselte Rieder auf Leihbasis zum VfB Stuttgart in die Bundesliga. Seit der WM 2022 in Katar gehört der Mittelfeldspieler auch regelmässig zum Nati-Kader von Murat Yakin.
https://www.blick.ch/sport/fussball/int ... 94999.html