23.02.2024
Zitat:
Gezänk der YB-Spieler
Streit am Penaltypunkt – und der Trainer schüttelt den Kopf
Silvere Ganvoula tritt bei Sporting zum Elfmeter an, obwohl Raphael Wicky einen anderen Schützen vorgesehen hatte. Das hinterlässt einen bitteren Beigeschmack.
Ganvoula macht den Selbstdarsteller
Silvere Ganvoula steht nicht auf der Liste der drei Penaltyschützen, die YB-Trainer Raphael Wicky vor der Partie erstellt hat. Darian Males aber schon. Und dieser Males will nun in der Schlussphase des Rückspiels bei Sporting Lissabon den Elfmeter ausführen. Eine klare Sache eigentlich, aber Ganvoula denkt nicht daran, sich zu fügen. Nicht, als Males mit ihm hitzig diskutiert. Und auch nicht, als Captain Fabian Lustenberger auf ihn einredet. Wicky quittiert die Streiterei mit einem Kopfschütteln. Was wäre nur los gewesen, hätte Ganvoula verschossen?
Aber der Stürmer verwandelt in der 84. Minute den Penalty zum 1:1 im Rückspiel des Playoffs der K.-o.-Runde der Europa League. Vom Resultat her sei das nach dem 1:3 in der Vorwoche in Bern ein versöhnlicher Abschluss der Europacup-Saison, findet Lustenberger. Aber er sagt auch: «Uns sind in den Duellen mit Sporting die Grenzen aufgezeigt worden.»
Ganvoulas Alleingang hinterlässt dazu einen bitteren Beigeschmack. Geschieht so etwas in einer Equipe, in der die Chemie stimmt, ist eine Frage, die sich stellt. Und wie muss das bei Wicky ankommen, dass ein Spieler wagt, sich vor aller Augen über die Autorität des Trainers hinwegzusetzen? Der Walliser erachtet das ständige Pflegen der Teamkultur als eine von drei Säulen seiner Arbeit, sie ist für ihn die Basis der Erfolge, die YB unter ihm gefeiert hat. Insofern muss ihn die Szene mindestens irritieren.
Keine schöne Sache sei es, wenn sich ein Spieler wichtiger als die Mannschaft nehme, sagt Wicky an der Medienkonferenz am späten Donnerstagabend im Bauch des Estádio José Alvalade XXI. Regeln gelte es einzuhalten. «Aber ich bin froh, hat Silvere wenigstens getroffen.»
Wicky sprach die Szene gleich nach der Partie in der Kabine vor versammelter Equipe an. Ob der Stürmer bestraft werde, lässt er offen. Ganvoula findet sein Vorgehen zwar «nicht schlimm». Aber er schiebt dann doch eine Entschuldigung nach. Und sagt: «Das nächste Mal denke ich ans Team.»
Dieses Unentschieden kann wertvoll sein
Chancenlos sei man über 180 Minuten gewesen, sagt Sandro Lauper. Der YB-Mittelfeldspieler hat auf dem Platz fühlen müssen, wie schmeichelhaft dieses 1:1 ist. Nur ein Auszug aus der Statistik, die eine deutliche Sprache spricht: Sporting kommt zu sechs Topchancen, YB zu einer. David von Ballmoos pariert mehrmals formidabel. Etwa, als er wie schon vergangenen Sonntag gegen Lausanne-Ouchy einen Penalty abwehrt.
Der Goalie ist der beste Berner, gefolgt von Innenverteidiger Aurèle Amenda, der sich nach schwacher Darbietung im Hinspiel steigert und die Sporting-Sturmgewalt Viktor Gyökeres mit seiner Aufsässigkeit immerhin hin und wieder ärgern kann. Wobei der Schwede, wenn er gewohnt kaltblütig gewesen wäre, gut und gern drei, vier Tore hätte erzielen können.
Stattdessen kommt ein enorm glückliches Unentschieden für YB zustande. Und das könnte sich für den Schweizer Fussball als wertvoll erweisen. Das 1:1 bringt im Uefa-Ranking 0,2 Koeffizient-Punkte ein und sorgt dafür, dass die Super League vorerst und hauchdünn vor Österreich den wichtigen 12. Rang behauptet. Dieser berechtigt zu fünf Startplätzen im Europacup. Und würde dafür sorgen, dass der Schweizer Meister auch in der Saison 2025/26 nur eine Hürde nehmen müsste, um in die Champions League zu gelangen.
Österreich hat mit Sturm Graz eine verbliebene Mannschaft im Europacup, die Schweiz mit Servette ebenso – beide Teams stehen im Achtelfinal der Conference League. Der weitere Verfolger Dänemark wird seinen einzigen Trumpf, den FC Kopenhagen, gegen Manchester City verlieren. Die Schweizer Aussichten sind also durchaus gut.
Servette im Hoch – trotz peinlichem Fauxpas
Servette reist am Sonntag im Hoch zum Spitzenspiel nach Bern. Die Romands gewannen am Donnerstag bei Ludogorets mit dem früheren YB-Stürmer Kwadwo Duah 1:0. Sie sind heuer im Europacup die fleissigsten Schweizer Punktesammler.
Sie haben von allen Teams in der Super League auch am meisten Spiele bestritten. 39 insgesamt – und damit zwei mehr als YB. Und dies mit einem Kader, das nicht annähernd so breit besetzt ist wie jenes der Berner. Nun werden in den nächsten Wochen dank des Europacup-Höhenflugs mindestens zwei weitere Plus-Partien dazukommen.
Das spricht eher nicht dafür, dass die Genfer das Meisterrennen spannend gestalten können. Auch wenn sich der Rückstand von sieben Punkten auf YB am Sonntag in der Direktbegegnung nicht vergrössern sollte. Zumal dem Club ein peinlicher Fauxpas unterlaufen ist.
Die Westschweizer haben es versäumt, drei Winterzuzüge fristgerecht auf die Kontingentsliste zu setzen. Darunter Bassirou N’Diaye, der designierte Nachfolger von Torgarant Chris Bedia. Stand jetzt dürfen die Spieler bis Saisonende nicht eingesetzt werden. Servette hat Rekurs gegen den Entscheid eingelegt.
YB steht vor wegweisender Woche
Derweil bleibt YB wenig Zeit, das Ausscheiden gegen Sporting zu verdauen. Auf das Heimspiel am Sonntag gegen den Zweiten Servette folgt am Donnerstag der Cupviertelfinal beim FC Sion. Am darauffolgenden Sonntag gastiert YB dann beim aktuellen Dritten FC Zürich.
Den Young Boys bietet sich also innert acht Tagen die Gelegenheit, die nationale Konkurrenz wohl entscheidend zu distanzieren und sich dem Cupsieg anzunähern. Gelingt das, sind die Misstöne von Lissabon rasch vergessen.
https://www.bernerzeitung.ch/yb-verlier ... 0621475529