Bund, 13.10.2006
«Das Wankdorfstadion liegt mir»
Martin Andermatt ist wie erwartet neuer YB-Trainer. Er hat einen Vertrag bis Sommer 2008 unterschrieben. Der 44-Jährige spricht über seine Philosophie, seine Ziele mit YB und seine Erfahrungen in der Bundesliga.
Martin Andermatt soll YB wieder zum Erfolg führen. / Urs Baumann
Es sind anstrengende Tage für Martin Andermatt. Am Mittwoch verlor er mit Liechtenstein in der EM-Qualifikation gegen Dänemark 0:4. Gestern morgen wurden die letzten Details seines Wechsels zu YB geregelt, die Berner überweisen dem Liechtensteinischen Fussballverband offenbar eine Ablösesumme von rund 100 000 Franken. Um 16 Uhr wurde Andermatt an einer Medienorientierung in Vaduz verabschiedet – und am Abend, um 21 Uhr, betrat er zum ersten Mal das Wankdorf als YB-Trainer. Bereits heute wird der 44-Jährige seine ersten beiden Trainings in Bern leiten.
DER BUND: Jetzt hat es doch noch mit dem Wechsel zu YB geklappt …
Martin Andermatt: … ja, ich freue mich auf diese Aufgabe. Ich hatte zuletzt immer wieder Angebote, aber keines war ähnlich interessant. Seit zwei Wochen war das YB-Interesse bekannt, aber ich habe mich nicht dazu geäussert, weil ich beim Liechtensteinischen Fussballverband angestellt war. Es ist mein Stil, dass ich erst über Themen spreche, wenn sie mich konkret betreffen. Das ist jetzt der Fall.
Wie stufen Sie die Situation bei den Young Boys ein?
YB ist ein ambitionierter Verein mit guten Strukturen und starken Fussballern. Hinter dem Verein stehen Leute, die einiges erreichen wollen und auch einiges investiert haben. Und mit diesem tollen Stadion im Rücken zählt YB zu den Spitzenklubs.
Der Druck in Bern ist gross, YB muss an der Spitze mitspielen.
Dieser Druck ist eine riesige Herausforderung. Ich war bei Eintracht Frankfurt als Trainer tätig, dort hat es eine unruhige Medienlandschaft und ein hektisches Umfeld. Aus jener Zeit weiss ich, wie wichtig eine saubere Kommunikation ist. Ausserdem ist es legitim, dass man sich bei YB hohe Ziele setzt.
Wie sehen Ihre Ziele mit YB aus?
Ich werde am Freitag meine Tätigkeit bei YB anfangen und erstmals Kontakt mit den Spielern haben. Einzig mit Steve Gohouri habe ich in Vaduz bereits zusammengearbeitet. Meine Pläne und Ideen werde ich zuerst den Spielern vorstellen. Es kann ja nicht sein, dass die Spieler den neuen Trainer nicht kennen, aber bereits in der Zeitung lesen müssen, was er von ihnen erwartet. Zudem bringt es sowieso nichts, wenn ich jetzt verkünde, wir wollen in einem Jahr Meister werden. Meister wird man nicht mit Worten, sondern mit Taten.
Dennoch: YB läuft den Ansprüchen hinterher und steht bloss auf Rang sechs mit 12 Punkte Rückstand auf St. Gallen. Wo sehen Sie die grössten Probleme?
Ich habe in dieser Saison einige Partien von YB gesehen, darunter waren auch internationale Auftritte. Da habe ich gemerkt, welches Potenzial in diesem Team steckt. Die Spieler haben aber oftmals gehemmt gewirkt. Es steht mir jedoch nicht zu, über diese Leistungen zu urteilen. Wir müssen in die Zukunft schauen und sofort versuchen, eine Euphorie zu verbreiten.
Ihre Vorgänger Hans-Peter Zaugg und Gernot Rohr sind auch daran gescheitert, dass die YB-Auftritte im Wankdorf zu wenig attraktiv waren. Die Investoren verlangen nicht nur erfolgreichen, sondern auch schönen Fussball.
Das ist mir bewusst. Letztlich hängt beides zusammen. YB hat ausgezeichnete Fussballer, die kreativ tätig sein können. Wichtig sind in einer Mannschaft aber zuerst Ordnung und Disziplin. Dann kommt die Attraktivität.
Sie haben einst als einer der ersten Trainer in Deutschland die Viererkette in der Abwehr eingeführt. Wie ist Ihre Philosophie ?
Man entwickelt sich als Trainer immer weiter. Ich habe zum Beispiel von Ottmar Hitzfeld, meinem Coach bei GC, gewisse Werte wie eben Disziplin und Beharrlichkeit mitgenommen. Ich gehe in jedes Spiel und will es gewinnen – und nicht einfach nicht verlieren. Diesen unbedingten Willen, sich dem Team unterzuordnen und dann mit individuellen Exploits dem Team zu helfen, diesen Willen muss jeder YB-Spieler zeigen. In jedem Training, in jedem Spiel. Und: Es ist elementar, dass ein Trainer einem Team eine Handschrift verpassen kann.
Wie soll Ihre sein?
Ich bin ein Anhänger der Viererkette, und ich möchte, dass wir jedes Spiel bestimmen. Das heisst, die Spieler müssen schnell von Defensive auf Offensive und umgekehrt umschalten können. Bei YB hat es jede Menge ausgezeichneter Techniker, das ist auf dem Kunstrasen ein grosser Vorteil. Ich möchte die Spieler fordern und fördern. Und wichtig ist, dass wir eine Winnermentalität entwickeln.
YB hat derzeit keinen Sportchef, die Unruhe im Umfeld ist gross. Ist das für Sie kein Nachteil?
Natürlich ist es wichtig, dass man Ansprechpartner im Verein hat. Aber ich habe mit Erminio Piserchia einen kompetenten Assistenten, der den Verein und die Spieler sehr gut kennt. Wir müssen uns jetzt gut auf das Heimspiel am Sonntag gegen Thun vorbereiten. Ich möchte mit einem Heimsieg starten.
Was haben Sie persönlich für einen Bezug zu YB und zu Bern?
Ich habe bisher nicht in dieser Region gearbeitet. Die Familie wird weiter im Kanton Zug wohnen, und ich werde mir eine Wohnung in Bern suchen. Gegen YB habe ich immer gern gespielt. Mit dem FC Wil haben wir im Neufeld vor Jahren einmal 4:3 nach 0:3-Rückstand gewonnen. Und in bester Erinnerung sind die drei Cupfinalsiege mit GC. Das Wankdorfstadion liegt mir.
Nationalspieler und Bundesliga-Trainer
Martin Andermatt wurde am 21. November 1961 in Baar geboren. Als Fussballer spielte er beim SC Zug, FC Baar, FC Emmenbrücke und dann in der NLA beim FC Wettingen, beim Grasshopper-Club sowie in Basel. Mit GC wurde Andermatt Meister und dreimal Cupsieger im Wankdorf. Er schaffte bei GC den Sprung ins Nationalteam, wo er elfmal zum Einsatz kam.
Seine Trainerkarriere begann Andermatt 1995 als Spielertrainer in Emmenbrücke. Anschliessend wechselte er für eine Saison (1997/98 ) zum FC Winterthur. Über Baden (1998/99) schaffte er im März 1999 den Sprung zum SSV Ulm. Beim deutschen Provinzverein realisierte Andermatt sofort den Aufstieg in die Bundesliga, stieg aber ein Jahr später wieder ab und wurde am 19. September 2000 entlassen. Anschliessend übernahm der Zentralschweizer den Traditionsverein Eintracht Frankfurt (1. Juni 2001 bis 8. März 2002) in der 2. Bundesliga. Nach der Kündigung in Frankfurt zog es Martin Andermatt im Sommer 2002 zurück in die Schweiz zum FC Wil.
Mit dem anschliessenden Wechsel zum FC Vaduz im Jahr 2003 wurde Andermatt auch Trainer Liechtensteins. Mit der Auswahl des Fürstentums feierte der 44-Jährige überraschende Erfolge, zum Beispiel ein 2:2 gegen Portugal. In der Saison 1994/95 führte der FC Vaduz unter Andermatt monatelang die Tabelle der Challenge League an, doch als der Verein im Mai 2005 auf Rang zwei abrutschte, wurde Andermatt überraschend entlassen. In der Barrage gegen Schaffhausen vergab Vaduz den Aufstieg – seither waren die Liechtensteiner nie mehr so gut klassiert.
Zuletzt arbeitete Andermatt als Nationaltrainer von Liechtenstein. Der neue YB-Trainer war zudem Technischer Leiter des Verbandes und verantwortlich für alle Auswahlen des Fürstentums sowie die Trainerausbildung.
Bei YB hat Andermatt einen vorerst bis im Sommer 2008 befristeten Vertrag unterschrieben.
Martin Andermatt besitzt seit zehn Jahren die Uefa-Pro-Lizenz, das ist die höchste Qualifikation als Trainer. Der gelernte Grundschullehrer hat auch die Sport- und Managementschule in Winterthur abgeschlossen. Andermatt wohnt im Kanton Zug, ist verheiratet und hat zwei Söhne (20 und 11 Jahre alt) sowie eine Tochter (18 ). (fdr)
Sportdirektor als «Mister YB»
Interimstrainer Erminio Piserchia wird – wie schon vom Herbst 2003 bis Sommer 2006 – in Zukunft als YB- Assistenztrainer arbeiten. Als Nachfolger des am Mittwoch zurückgetretenen Sportchefs Marcel Hottiger wird ein Sportdirektor gesucht, der auch die Geschäftsführung der BSC YB Betriebs AG übernehmen wird. Dieser «Mister YB» soll bis spätestens im Februar 2007 angestellt werden. Das entstandene Vakuum wird intern gelöst, so wird sich ein Anwalt um juristische Dinge kümmern. Zudem wird die strategische Führung ausgebaut: In den nächsten Wochen ziehen zwei Berner Persönlichkeiten in den Verwaltungsrat. (fdr)