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Die YB-Erinnerungen an Belgrad – und an die Anfield Road

Vor fünf Jahren erreichte YB ein tolles 2:2-Unentschieden beim grossen FC Liverpool. Am Donnerstag wollen und müssen die Young Boys bei Partizan Belgrad mit einer starken Leistung punkten.

Jene, die dabei waren, schwärmen noch heute davon. Und irgendwie hat man das Gefühl, es seien damals eher 10'000 als 2500 YB-Fans an der Anfield Road gewesen, als die Young Boys in der Europa League gegen den grossen FC Liverpool nach einer heroischen Leistung ein 2:2-Unentschieden erreichten. Derart viele Menschen erinnern sich an den Ausflug nach England.

Elsad Zverotic traf kurz vor Spielschluss zum Ausgleich, Raul Bobadilla war der stärkste Fussballer auf dem Rasen, der heutige YB-Sportchef Christoph Spycher fehlte verletzt, aus dem aktuellen Kader der Berner war einzig Marco Wölfli bereits dabei.

Längst ist der Routinier Ersatzgoalie, am Mittwochmittag fehlte Wölfli auf dem Flug der Young Boys nach Belgrad wegen Rückenbeschwerden. Wie auch Steve von Bergen. Der Captain und Abwehrchef musste am Sonntag beim 2:1-Sieg im Spitzenkampf gegen Zürich wegen Rückenschmerzen ausgewechselt werden.

Sulejmanis Vorfreude

YB nimmt derzeit ja zum fünften Mal seit 2010 an der Europa-League-Gruppenphase teil. Sie sammelten stets bemerkenswert viele Punkte, und das 2:2 in Liverpool am 22. November 2012 besitzt im Klub und unter den Anhängern Kultstatus. Die Anfield Road ist schliesslich eine der legendärsten Spielstätten im Fussball, der FC Liverpool einer der bekanntesten Klubs der Welt.

Trainiert wurden die Young Boys vor fünf Jahren übrigens von Martin Rueda, der ein relativ kurzes, eher unglückliches Gastspiel in Bern gab – und bald entlassen wurde. Jene Krisensaison beendete YB auf dem enttäuschenden 7. Rang. Unter Uli Forte ging es danach sukzessive aufwärts, und Fortes Nachfolger Adi Hütter hat das Team auf Rang 1 geführt.

In der Europa League aber läuft es in dieser Spielzeit noch nicht besonders gut, nach vier Spieltagen stehen erst drei Remis auf dem Konto. Dennoch besitzt YB weiter Chancen, die Sechzehntelfinals zu erreichen. Am Donnerstag heisst es in Belgrad gegen den Zweiten Partizan (5 Punkte) aber: verlieren verboten! Bei einem Auswärtssieg würden die Young Boys den Gegner überholen und auf Rang 2 springen, eine Niederlage würde schon vor der letzten Runde das Ausscheiden bedeuten.

«Das wird eine harte, intensive Partie», sagt der frühere Partizan-Junior Miralem Sulejmani, der gegen seinen Herzensklub antritt. «Wir haben eine relativ grosse Familie», sagt der Serbe, «es werden viele Bekannte und Freunde im Stadion sein.» Sulejmani erwartet ein annähernd ausverkauftes Spiel, die Stimmung werde prickelnd sein. «Solche Partien sind grossartig», sagt der formstarke Flügel.

Chapuisats letztes Spiel

Es ist übrigens nicht der erste Auftritt der Young Boys in Belgrad. Im Sommer 2004 bestritten sie die zweitletzte Runde der Champions-League-Qualifikation gegen Roter Stern Belgrad. Zu Hause erreichten sie nach einer 2:0-Führung und trotz personeller Überzahl in der Schlussphase nur ein 2:2. Diese Begegnung wurde im Zürcher Hardturmstadion ausgetragen, weil in Bern gerade das Stade de Suisse gebaut wurde.

In Belgrad schliesslich blieb YB im Marakana-Stadion vor 45'000 Zuschauern chancenlos und verlor 0:3. Marco Wölfli war auch vor über 13 Jahren bereits dabei, der heutige YB-Chefscout Stéphane Chapuisat bestritt in Belgrad wenige Monate nach der Euro 2004 in Portugal die letzte internationale Begegnung seiner famosen Karriere.

Und der damalige Trainer Hans-Peter Zaugg meinte nach der klaren Niederlage, YB habe leider im Hinspiel eine viel bessere Ausgangslage verspielt. «Heute stiessen wir an unsere Grenzen», sagte Zaugg.

Gegen das Lichterlöschen

YB steht am Donnerstag in Belgrad gegen Partizan vor einer ähnlichen Herausforderung wie im Vorjahr in Piräus. Die Berner müssen in einem Hexenkessel gewinnen.

Es werden sogleich Erinnerungen wach ans altehrwürdige Wankdorf, als der Besucher aus Bern den Innenraum des Partizan-Stadions betritt. Ein uralter schwarz-weiss karierter Steinboden, Treppen wie in alten Schulhäusern, brüchige und seit Jahren nicht mehr gestrichene Wände, die eine oder andere gespaltene Scheibe, mehr schlecht als recht eingefasste Stromkabel, schon fast antike Türschlösser – man fühlt sich zurückversetzt in die 60er- oder 70er-Jahre. Und trotzdem versprüht diese 1949 eröffnete und seither nur sporadisch renovierte Arena einen speziellen Charme. Hier ist die Vergangenheit des 72-jährigen Clubs noch zu spüren, bei jedem Schritt, bei jedem Blick – ganz im Gegensatz zu den modernen Fussballtempeln der Neuzeit, in denen der faszinierende Geist der Tradition so schmerzlich vermisst wird.

Es ist 17.30 Uhr und schon lange dunkel in der weissen Stadt, wie Belgrad übersetzt heisst, als Adi Hütter und David von Ballmoos zur Pressekonferenz erscheinen – in einer alten Turnhalle, die mit Zwischenwänden, modernen Stühlen und einem schrill-blauen Teppich in einen durchaus zweckmässigen Medienraum umfunktioniert worden ist. Der YB-Trainer und sein Goalie tragen knallgelbe Oberteile, die im schummrigen Licht der Halle richtiggehend leuchten.

Dieses krasse Farbenspiel lässt sich auch als Zeichen deuten: Die Young Boys müssen am Donnerstag auffallen, und zwar mit einer starken Leistung, wenn sie weiterhin im europäischen Geschäft bleiben wollen. Oder wie es Hütter elegant formuliert: «Wir müssen hier fast gewinnen.» Der Österreicher, der noch nie in Belgrad war, hat Respekt vor dem spielstarken Gegner, freut sich aber auf den zu erwartenden Hexenkessel. «Dieses Spiel», sagt er, «ist vor allem für unsere Jungen eine Herausforderung.» Und auch von Ballmoos, der in dieser Saison seine ersten Erfahrungen auf der europäischen Bühne sammelt, erwartet «eine tolle Atmosphäre».

Parallelen zum Piräus-Spiel

Für YB wird die Partie quasi zu einer Neuauflage der Ausgangslage von 2016. Damals ging es in der fünften Runde im ähnlich stimmungsvollen Karaiskakis-Stadion von Piräus um alles oder nichts. YB spielte gut und trotzte Griechenlands Nummer 1 ein 1:1 ab, schied aber trotzdem vorzeitig aus dem Wettbewerb aus. Diesmal würde ein neuerliches Unentschieden zwar nicht das Aus bedeuten, die Chancen auf die Sechzehntelfinals vor dem letzten Spieltag aber auf ein Minimum schmälern, da YB daheim gegen Skënderbeu gewinnen und auf Schützenhilfe von Dynamo Kiew hoffen müsste. «Die Ausgangslage ist ähnlich», sagt der YB-Trainer, «es wird sich zeigen, ob wir den nächsten Schritt in unserer Entwicklung machen können.»

Nur Minuten später stehen der Trainer und der Goalie mit dem Rest des Teams auf dem Rasen zum Abschlusstraining im weiten Rund, wobei diese Bezeichnung für einmal keine Floskel ist. Die Leichtathletikbahn wie auch die nicht sehr steil gebauten Tribünen sorgen dafür, dass die Zuschauer die Partie aus reichlich grosser Distanz verfolgen. Dazu ist das Stadion, das von aussen moderner wirkt als von innen, bis auf die obersten Plätze gänzlich ungedeckt. Partizan, so der erste Gedanke, muss sehr stimmgewaltige Anhänger haben, wenn es hier wirklich laut werden soll. 20'000 Zuschauer werden am Donnerstag erwartet.

Die vier gewaltigen Lichtmasten – von einer nur noch selten gesehenen Dimension – thronen während der Trainigseinheit so grell und hell über dem Stadion, das es kaum vorstellbar ist, dass für die Berner hier das Licht in der Europa League ausgehen könnte. Soll dieser optische Eindruck nicht täuschen, müssen die Young Boys in diesem alten Stadion das schaffen, was ihnen seit dem 27. November 2014 und dem 3:1 bei Slovan Bratislava nie mehr gelungen ist: ein Auswärtsspiel im Europacup gewinnen.